Im Studio hört Dich niemand schreien

Zunächst scheint es ein Job wie jeder andere: Geräuschemacher Maximilian Schall erhält einen Anruf vom visionären Schmuddelfilmer Dario Winestone, der ihm ein kleines Vermögen bietet. Der Auftrag: Schall soll Winestones frisch abgedrehtes Filmmaterial nachvertonen.
Sofort. Winestones Riesenproblem: Die Bilder von seinem neuesten Film sind zwar von beeindruckend brutaler Schärfe, der Ton der Originalaufnahmen aber klingt seicht, fade und harmlos.

Eine Katastrophe, denn Winestone zeigt – auf ästhetisch höchstem Niveau: Menschen, die foltern, Menschen, die töten… und Menschen, die sterben. Startschuss für lange Tage und noch längere Nächte vor flackernden Bildern im Tonstudio. Maximilian Schall beginnt zu zaubern: Fledermäuse fliegen, Menschen werden erstochen, während sie um ihr Leben schreien. Und auch wenn es für den Geräuschemacher fachlich kein Problem ist, einen blutigen Mord klanglich zum Höhepunkt zu treiben, indem er eine kunstvoll ein Messer in einen Kohlkopf bohrt, – künstlerisch zu Hause fühlt er sich in diesem grausigen Genre nicht. Ganz im Gegenteil.

Denn seine eigentliche Spezialität sind sensibel verspielte Nachvertonungen von Naturfilmen für Kinder. Schalls Kampf wird immer dramatischer. Und zwar nicht nur mit der permanenten Feuchtigkeit im Kondensatormikrofon, sondern auch mit dem eigenen Hirn und Herz: Ist die Schattenwelt zwischen Leben und Tod, in der er sich befindet, wirklich lediglich die eines großen Kunstwerks – oder ist es vielleicht doch die Realität?

Im Studio Hört Dich niemand schreien // Jörg Buttgereit, Anne-Kathrin Schulz

Regie: Jörg Buttgereit
Bühne und Kostüme: Susanne Priebs
Sounddesign: Frank Behnke
Dramaturgie: Anne-Kathrin Schulz, Michael Eickhoff
Regieassistenz: Péter Sanyó, Laura N. Junghanns
Ausstattungsassistenz: Svea Schiemann

Mit: Alexandra Sinelnikova, Marlena Keil, Caroline Hanke, Uwe Rohbeck, Ekkehard Freye, Christian Freund und Péter Sanyó

Fotos: Birgit Hupfeld, Edi Szekely

September 2018